Im Interview – Britta Freith

“Ich habe mutige und vorsichtige Tage.”

Britta gibt einen WorkshopBritta Freith ist Mitglied im Texttreff – genau wie ich. Wir kennen uns also schon viele Jahre, haben so einige der ganz wunderbaren Textinentreffen zusammen erlebt und einmal durfte ich Britta und ihren übersprudelnden Geist sogar schon live während der Arbeit erleben: Bei einem Kreativ-Workshop der Texttreff-Akademie. Wir haben gemeinsam wilde Collagen geschnippelt und praktisch aus dem Nichts zwei tolle Kampagnen für einen fiktiven Kunden entwickelt – ein echtes Erlebnis, sage ich Ihnen ;o)) Denn Britta denkt blitzschnell geradeaus und um die Ecke, vorwärts und zurück und zwischendrin macht sie Purzelbäume. Und das ist wirklich nicht übertrieben!

Außerdem gärtnert Britta leidenschaftlich gerne und beglückt mich via Facebook immer wieder mit wunderschönen Fotos aus ihrem Garten. Sie hat ein Auge für kleine Details und mit Sicherheit auch mindestens zwei grüne Daumen. Was ich an Britta noch sehr schätze, ist ihre klare Art zu kommunizieren: Sie bringt Dinge auf den Punkt und kann Botschaften auf den Kern runterdampfen. Noch dazu hat sie einen tollen Schreibstil … aber lesen Sie selbst:

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CG: Authentizität wird gerade zu einem Modebegriff – immer mehr Unternehmen schreiben sich Echtsein auf die Fahnen. Welche Bedeutung hat Authentizität für dich und deine Arbeit?

BF: Als Einzelunternehmerin mit einem wechselnden Team von freien Mitarbeitern stelle ich natürlich mich selbst dar. Ich komme ja gar nicht umhin. Je älter ich werde, desto mehr hinterfrage ich mein Bild allerdings. Ich möchte nicht auf Biegen und Brechen eine erfolgreiche Unternehmerin vorgaukeln. Lieber will ich Ecken und Kanten und auch Niederlagen zeigen. Vielleicht hängt das mit meinem Alter zusammen. Ich glaube, Frauen aus meiner Gesellschaftsschicht machen diesen Prozess in den 40ern durch. Außerdem zwingen uns Zeitgeist und Medien quasi dazu uns zu freuen, dass wir jetzt 40, 50 oder 60 werden und neue Erfahrungen sammeln. Das ist gerade modern. Ist natürlich Unfug, die meisten haben ganz furchtbare Angst, als alte ungeliebte Schachtel zu enden.
Ich weiß morgens oft noch nicht, wer ich abends sein werde. Ich bin sehr sprunghaft, habe ständig neue Ideen. Darum fällt es mir mit der öffentlich gelebten Authentizität auch schwer. Ich versuche nach außen hin Beständigkeit zu zeigen. Bevor ich etwas poste, überlege ich, ob es wahrhaftig ist. Es ist unternehmerisch nicht sonderlich zuträglich, ständig öffentliche Stimmungsschwankungen zu haben. Aber meine Kreativität und Vielfalt zeige ich natürlich gerne, da ist die Sprunghaftigkeit ideal.

CG: Welche Plattformen benutzt du für deinen unternehmerischen Außenauftritt? Verwendest du dort spezielle Stilmittel?

BF: Ich habe zwei Websites – bummedia.de, meine Website als Agentur für Inhalte, muss inzwischen dringendst neu. Aber ich komme nicht dazu. Die freith.de habe ich schon so lange aus meiner Zeit als Einzelkämpferin, die will ich behalten – auch, weil ich mich als Individuum gern stärker postitionieren möchte. Und, hier kommt mein Plan für dieses Jahr: Ich will die beiden Blogs zusammenlegen. Das Firmen-Blog vernachlässige ich ohnehin sträflich, ich möchte lieber „Bessere Inhalte“ magaziniger und variantenreicher gestalten. Momentan ist es mir zu sehr aufs Gärtnern, Reisen und Kochen festgelegt. Das ist auf Dauer doch öde. Außerdem habe ich früher ganz viel über Technik und neue Trends geschrieben. Ist heute kaum zu glauben.
Auf Facebook habe ich eine Seite als Autorin, die ich mal mehr und mal weniger engagiert pflege. Die Seite hebt komplett auf den Garten ab. Mein privates Profil kann man abonnieren, ich nehme aber nur Menschen als FB-Freunde an, die ich persönlich oder lange und mit Leumund aus dem Netz kenne. Ich trenne zwischen öffentlichen und privaten Posts, arbeite auch im privaten Bereich intensiv mit Listen.
Seit vielen Jahren bin ich auf Twitter, verlinke den Account aber nur höchst ungern, weil er meine private Spielwiese ist. Darum gibt es auch bei keinem meiner Webauftritte eine Verknüpfung dorthin. Man kann mich aber ergoogeln.
Ich habe einen torial- und einen about.me-Account, bin bei Xing, Google+, LinkedIn. Alles ist rein beruflich. Ach ja, neuerdings bin ich auch bei Ello, das hätte Kunst werden können, aber ich mache es  zunehmend kraftloser. Den albernen Klout-Score habe ich gezielt verlassen (was mich nicht vor Spam-Mails von denen schützt), Fotoplattformen wie Instagram nutze ich nicht, weil ich dann wahnsinnig würde – ich möchte nicht ständig online sein. Meine Vergangenheit als aktuell berichtende Journalistin ist mir sehr im Blut, ich kann dann nicht abschalten. Zum Glück arbeite ich nicht als Fotografin, dann wäre ich da bestimmt. Abgesehen davon finde ich nicht jeden entdeckten Vogelschiss so wahnsinnig interessant. Ich muss nicht mein ganzes Leben veronlinen.

CG: Du bist Texterin, Konzeptionerin, produzierst multimediale Inhalte und schreibst tolle Bücher zum Beispiel über Gärten und Landwirtschaft, denen man anmerkt, dass du das Gärtnern liebst. Und du gewinnst unter großer öffentlicher Anteilnahme einen Wettbewerb im Steckrübenschnitzen. Wie viel „private Britta“ wird in der „Unternehmerin Britta“ sichtbar?

Britta Freith im GartenBF: Als Steckrübenschnitzerin war ich sicherlich sehr privat. Ich hatte zufällig einen Abend Zeit und Lust dazu, die Sache war unterhaltsam und meditativ zugleich. Da habe ich dann mein iPad aufgestellt und meine Schnitzarbeit ein bisschen filmisch gefacebookt. Bedauerlicherweise tue ich mich sonst schwer mit einem schreddeligen Filmbild bei schlechter Beleuchtung. Meine Ansprüche sind dafür immer zu hoch. Vermutlich habe ich zu oft mit professionellen Teams gearbeitet. Das kann auch abträglich sein. Ich wäre da gern mutiger und möchte künftig mehr Trash wagen und so meine Möglichkeiten erweitern. Vielleicht werde ich dann auch generell authentischer.
Ansonsten halte ich mein Privatleben aus der breiten Öffentlichkeit raus. Ich bin offen, neugierig und hilfsbereit, das ist privat und beruflich so. Auch, dass ich gern klare Ansagen mache. Vielleicht erkennt man das an meinen Postings. Wenn ich die allerdings an manchen Tagen quer lese (insbesondere auf Twitter), ist das Bild von mir das einer verhuschten Katzenhalterin, die gern kocht, gärtnert und ansonsten über das Wetter und die Umstände motzt. Vielleicht sollte ich an diesem Profil doch mal arbeiten!

CG: Was glaubst du: Warum ist es so schwer, individuelle Wege zu beschreiten und zu den Facetten seiner Persönlichkeit zu stehen?

BF: Eine persönliche Äußerung kann viele potentielle Kunden verprellen oder auch Kunden bringen – wer weiß das schon vorher? Ich selbst habe mutige und vorsichtige Tage. Das liegt bestimmt auch an der Auftragslage. Mehr oder weniger gefüllte Auftragsbücher führen vielleicht zu Waghalsigkeit oder zu Vorsicht – das ist sicher charakterabhängig.
Was gar nicht geht: über aktuelle oder ehemalige Kunden oder deren Branche schlecht zu reden oder gar Insiderinformationen preiszugeben. Das gehört sich nicht. Das kann manche Themen für einen allerdings unmöglich machen. Wenn einem da der Druck zu groß wird, muss man sich wohl entscheiden, was man wirklich will.

CG: Nach gängiger Definition resultiert  Authentizität aus einem Sieg des Seins über den Schein. Doch für mich als Unternehmerin ist es nicht immer einfach zu entscheiden, wie weit meine Echtheit auf professioneller Ebene gehen darf. Wie erlebst du diese Auseinandersetzung? Hat Authentizität Grenzen?

BF: Da, wo ich andere langweile. Da, wo ich als Weltverbessererin auftrete. Da, wo ich mit meinem Sendungsbewusstsein nerve. Mich ödet es an, wenn andere sich permanent selbst darstellen. Mein Kaffee, meine Bahnfahrt, mein toller Urlaub. Bei wenigen ist das sehr unterhaltsam, weil mit Intelligenz und ungewöhnlichen Geschichten gepaart. Bei den meisten aber heißt das Latte Macchiato, Verspätung, blauer Himmel. Gähn.
Sehr lästig finde ich die, die immer übereifrig auf die gleichen Themen aufspringen. Schreib zum Beispiel etwas gegen vegan, schon sind sie da. Das schärft natürlich das Profil, aber nicht unbedingt in professioneller Hinsicht. Außer, man möchte ausschließlich für vegane Betriebe arbeiten. Wenn man auf dem Gebiet nicht gerade Promi ist, polarisieren ständig vorgetragene fixierte Einstellungen zu sehr. Ich möchte einen potentiellen Kunden nicht abschrecken, weil ich täglich schreibe, wie furchtbar ich weiße Hosen finde, er aber nunmal gerne weiße Hosen trägt. Vieles darf privat bleiben, ohne dass die Welt untergeht.
Auf professioneller Ebene kontrolliere ich mich vielleicht zu viel. Da ich selbst schnell gelangweilt bin, fürchte ich, andere mit professionellen Anmerkungen zu nerven. Der Grat zwischen dem guten Tipp und lautem Ich!-Ich!-Geschreie ist schmal.  Darf ich es hier einmal sagen? Ich kann echt gut texten und und mir sehr kreative und komplexe plattformübergreifende Projekte ausdenken. Das ist nicht nur die Außendarstellung, das bin wirklich ich. Das mache ich auch, wenn ich eine Feier organisiere. Das tröte ich sonst nicht so herum. Ist auch schade.
Politik… Früher hätte ich als Unternehmerin keine politische Äußerung gemacht – also auch keine im Internet. Das handhabe ich heute anders, wenn auch mit Bedacht. Ich sage, wenn ich auf eine Anti-Pegida-Demonstration gehe. Ich sehe Deutschland als Einwanderungsland und stehe dazu. Für Auftraggeber, die nicht weltoffen sind, möchte ich nicht arbeiten. Wer meine öffentlichen Statusmeldungen auf Facebook liest, erfährt das.

CG: Mit Authentizität gehen Begriffe einher wie ….

BF: a. Ehrlichkeit
b. Verlässlichkeit
c. Wiedererkennbarkeit
Ist diese Auswahl nicht selbsterklärend? Ein Unternehmen sollte seinen Kunden nichts Falsches vormachen. Niemand möchte angelogen oder eingelullt werden. Darauf will man sich verlassen können. Es hilft im Leben sehr, wenn man diese Anbieter problemlos wiederfindet und immer wieder mit ihnen zusammenarbeiten kann. Den Unternehmen hilft das natürlich auch. Darum sollten sie neben Ehrlichkeit und Verlässlichkeit auch ein hohes Maß an Wiedererkennbarkeit und damit auch Unverwechselbarkeit haben.

CG: Was glaubst du: Warum werden öffentliche Gefühlsausbrüche von Persönlichkeiten heute besonders geschätzt? Der Wutausbruch von  Bundesaußenminister Steinmeier hat viel öffentliche Bewunderung erfahren und  ist zum echten Youtube-Hit geworden mit mittlerweile mehr als 2,6 Mio. Klicks.

BF: Da ich so alt bin, dass ich mich noch an Herbert Wehner oder Franz-Josef Strauß erinnere, finde ich das nicht so sensationell. Schön, dass der Mann eine eigene Meinung hat und sie artikulieren kann. Viele Menschen und besonders Politiker haben ja Angst davor, festgelegt zu werden und sich dadurch Chancen zu verspielen. Eine schreckliche Einerseits-Andererseits-Kultur. Steinmeier hat für sich privat (ich erinnere an die Niere) einige schwerwiegende Entscheidungen getroffen. Der hat offenbar keine Zeit mehr, sich mit Weichspülen aufzuhalten.
Warum kommt das an? Weil es berührt. Die Botschaft wird verstanden. Wenn jemand, der etwas Sinnvolles zu sagen hat, einfach und emotional wird, statt gestelzt daherzureden, verstehen das alle. Genau wie gute Werbung. Da ist es egal, ob man aus einer bildungsfernen Schicht kommt und mit dem Politiker da oben nie zusammentreffen wird. Plötzlich ist er ein Mensch wie alle.

CG: Zum Schluss ein Blick in die Kristallkugel: Welche unternehmerischen Strategien werden in den nächsten Jahren Interesse wecken – und zum Beispiel aus Interessenten Käufer machen?

BF: Auch, wenn ich dagegen bin, sich bei Unsicherheit ins Schneckenhaus zurückzuziehen, ist es wohl richtig, dass viele Menschen heute genau das tun. Es ist ja weit diskutiert, dass Menschen mit zunehmender Globalisierung und vor allen Dingen (das ist meiner Meinung nach die Hauptursache) steigender Informationsflut nach etwas zum Festhalten suchen. Wir alle mögen Vertrautes und gleichzeitig Vertrauen Versprechendes. Darum werden Unternehmen, die ein wahrhaftiges Bild von ihren Marken aufbauen können und Kunden nah an Entwicklungsprozesse heranlassen, Erfolg haben. Es bleibt im Trend, Botschaften regional und persönlich herunterzubrechen. Angebote werden immer individueller. Kunden möchten das Gefühl haben, gesehen zu werden. Dabei müssen digitale Medien es überzeugend schaffen, den Ladenbesitzer aus der Nachbarschaft zu ersetzen. Wichtig dabei ist immer auch die Vernetzung: Was denken Freunde, Nachbarn darüber, wie kann ich sie einbeziehen, in meine Welt einladen? Die Illusion der Individualisierung  wird weiter vorangetrieben, die Möglichkeit, ein Massenprodukt in vorgegebenen Varianten für sich anzupassen. Früher kannten wir das nur beim Neuwagen, längst geht das bei Schokolade oder Backmischungen. Ein großer Schritt und Vorteil, auf den ich mich richtig freue, wird günstiger 3D-Druck sein.

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Bildquellenangabe: Eva Brandecker (oben), Antje Ritter (Mitte), Ray Teller (unten). 

4 Kommentare zu „Im Interview – Britta Freith“

  1. Schönes Interview mit interessanten Fragen!
    Hat mir Spaß gemacht, so mehr über Britta zu erfahren.
    Schmunzeln musste ich, als ich über den Opinel-Schnitz-Wettbewerb gelesen habe. Daran erinnere ich mich als Initiatorin natürlich sehr gern. Ihre Steckrübenburg war großartig!
    Britta war eine super Kandidatin und es hat Spaß gemacht sie dabei zu haben. Dass sie am Ende gewonnen hat, hat mich sehr gefreut!
    Ich wünsche noch viele spannende Interview-Partnerinnen und Euch beiden weiterhin alles Gute.
    Charis

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