Krisenkommunikation mal ganz anders

Social Media: 7 Gedanken zur Kommunikation in der Katastrophe.

Feuerwehrmann im EinsatzDie meisten Marketing- und Werbungs-ArbeiterInnen verstehen unter Krisenkommunikation das strategische Vorgehen eines Unternehmens im Shitstorm. Ein immer wieder schönes, weil herzenswarmes Beispiel ist ein Shitstorm aus dem Jahr 2014: Das us-amerikanische Unternehmen Honey Maid wagte es, Kekse mit Werbefilmen anzupreisen, in denen Familien mit homosexuellen, in den Hautfarben unterschiedlichen oder geschiedenen Elternpaaren vorkamen. SKANDAL, der prüde Teil der USA war bis ins spießige Mark erschüttert und schickte Berge von Hassmails, terrorisierte das Unternehmen mit Anrufen und Beleidigungen. Aus diesen geballten Aggressionen machte Honey Maid einen ganz wunderbaren Film, der mir mit seiner tollen Botschaft immer wieder die Tränen in die Augen treibt … hach.

Doch reicht es, wenn Unternehmen perfekt ausgearbeitete Krisenkommunikations-Pläne in der Schublade haben – und sonst niemand? Oder ist es nicht an der Zeit, dass wir alle mal über unser Kommunikationsverhalten in der Krise nachdenken?

Wir sind alle Berichterstatter!

Social Media hat dafür gesorgt, dass wir alle Berichterstatter geworden sind: Morgens teilen wir spannende Zeitungsartikel an unsere Freunde, Leser und Follower, Mittags posten wir spannende Studien-Ergebnisse und Abends kommentieren wir eine Kolumne, die uns schon den ganzen Tag aufgeregt hat. Jeder von uns ist also Meinungsbildner in unserer Bezugsgruppe, denn wir teilen Informationen und diskutieren. Das klappt in den meisten Fällen sehr gut und wir profitieren oft vom Geben-und-Nehmen-Prinzip in Social Media. Doch was ist, wenn eine Krise kommt? Eine Katastrophe passiert ist? Dann neigen wir zu purem Aktionismus, der von Wut, Verzweiflung und Trauer getrieben wird: Da wird geteilt, was das Zeug hält, wir saugen die kleinste Information auf und sitzen gespannt vor den Bildschirmen und warten auf neue Informationen und Details – manchmal sogar nächtelang.

MikrofonDoch ist das wirklich sinnvoll? Ich habe in den letzten Wochen viel über mein eigenes Verhalten nachgedacht und so einige Punkte aufgeschrieben, an denen ich meine persönliche Krisenkommunikation optimieren könnte. Außerdem habe ich am letzten Wochenende beim BarCamp RheinMain einem tollen Vortrag der großartigen Julia Schönborn gelauscht, in dem es um die verschiedenen Phasen des Ausnahmezustands in Social Media ging – einige Ideen finden sich in dieser Liste wieder.

Euch fallen noch mehr Dinge ein, die wir selbst beachten können in unserem eigenen Verhalten? Bitte schreibt mir einen Kommentar unter diesen Blogbeitrag, ich möchte die Gedanken gerne sammeln und in einer schicken Infografik zusammenfassen – MisterMaikel, the King of Infografik, ist bestimmt gerne dabei ;-)

Danke für eure Unterstützung – hier mein Entwurf:

1. Teile nicht alles, was du findest.

Grüner Haken - alles okayEs ist für dich bestimmt okay, wenn du – neben seriösen Quellen – Verschwörerwebsites besuchst, um deinen persönlichen Wissensstand in alle Richtungen up to date zu halten. Aber nicht jeder deiner Facebook-Freunde oder Twitter-Follower kann diese Informationen verarbeiten und in den passenden Kontext stellen! Bitte überprüfe also vor dem finalen Teilenklick ganz genau, ob du diese Information anderen Menschen wirklich zumuten möchtest. Das gleiche gilt übrigens auch für Bilder: Nicht jeder in deinem Umkreis möchte zum Beispiel Bilder von zerfetzten Leichen oder misshandelten Tieren sehen … denk also bitte kurz darüber nach, ob du diese visuellen Zeugnisse des Geschehens wirklich einer breiten Masse anderer Menschen zumuten möchtest.

2. Überprüfe alles, was du teilst.

Grüner Haken - alles okayJa, es gibt sie, die irren Ecken des Internets, in dem merkwürdige Thesen und schräge Analysen gleich dutzendweise ausgebrütet und verbreitet werden. Solche Seiten solltest du grundsätzlich nicht teilen, den mit jedem Klick aus Social Media erhöhen diese Wahnsinns-Sammlungen ihre Reichweite – schließlich mag Google vor allem den Traffic aus den sozialen Netzwerken sehr und bewertet mit jedem Klick eine solche Website höher. Doch auch großen Tageszeitungen und Magazinen unterlaufen Fehler, wenn in Echtzeit kommuniziert wird. Deswegen solltest du mit dem Teilen ein paar Minuten warten und checken, ob du bei mindestens einer weiteren Tageszeitung identische Infos findest.

3. Kommentiere alles, was du teilst.

Grüner Haken - alles okayEin lieblos hingerotzter Link hat keinen wirklichen Nutzen für deine Freunde oder Follower. Denn die wollen wissen, warum du genau diesen Inhalt geteilt hast: Was ist daran so bemerkenswert? Was denkst du darüber? Wo ist der Punkt, der dich hat aufmerksam werden lassen? Oder kannst du vielleicht sogar die Botschaft des Artikels kurz zusammenfassen – für die ganz Eiligen? Und wenn es ein kontroverser Artikel ist, schreibe einfach ein paar Worte und erkläre, was dich genau dazu gebracht hat, diesen Artikel trotz Punkt 1 zu teilen.

4. Antworte auf alles, was dir andere antworten.

Grüner Haken - alles okayGerade in der Krise werden wir alle von unseren Emotionen gesteuert. Wenn also andere Menschen auf deine Links reagieren, solltest du unbedingt genau hingucken: Stellt jemand eine Frage? Hat jemand ergänzende Informationen? Kannst du jemandem helfen, in dem du ihm weitere Links zur Verfügung stellst? Beginnt eine erste, meist sehr gefühlsgesteuerte Diskussion zum Thema? Hier solltest du deine Fans und Follower auf keinen Fall alleine lassen, sondern beobachten, was in unter deinen Postings und Tweets vor sich geht.

5. Lösche alles, was du fälschlicherweise geteilt hast.

Grüner Haken - alles okayJa, auch ich habe schon echten Mist geteilt, der von vorne bis hinten gelogen oder erfunden war – das passiert uns allen, gerade dann, wenn wir unter Stress stehen, der natürlich bei uns allen in der Krise entsteht! Um so wichtiger ist es, dass wir die Links, die wir fälschlicherweise geteilt haben, wieder löschen – und zwar sofort und nicht erst nach Tagen oder Wochen. Denn das Internet vergisst nichts, und der Facebook-Algorithmus sorgt zum Beispiel dafür, dass auch noch Tage später deine Links in die Timeline deiner Freunde gespült werden.

6. Kritisiere nicht die Gefühle anderer.

Grüner Haken - alles okayAuch ein Fehler, den ich leider sehr gerne begehe – genau wie Fehler Nummer 7: Wir alle entwickeln andere Gefühle in einer Krise oder während einer Katastrophe. Und wir verarbeiten diese Geschehnisse individuell. Da gibt es zum Beispiel Leute wie mich, die recht schnell mit Humor auf erschütternde Ereignisse reagieren. Andere bewältigen ihre Trauer damit, dass sie ihr Profilbild in Nationalfarben umwandeln, um so die Solidarität mit den Opfern zu zeigen. In diesen emotionalen Dingen gibt es einfach kein richtig oder falsch – und wir sollten das respektieren!

7. Kritisiere nicht die Kritik an den Gefühlen anderer.

Grüner Haken - alles okayNach Punkt 6 kommt IMMER Punkt 7 – da könnt ihr euch zu 100 Prozent drauf verlassen. Leider glauben immer wieder manche Menschen, dass sie unbedingt detailreich darlegen müssen, dass es falsch ist, sein Profilfoto in Nationalfarben einzufärben. Dass es nichts mit echter Solidarität zu tun hat und überhaupt: Diese Funktion ist ein Facebook-Tool, das geht ja schon mal gar nicht! Es wäre schön, wenn wir hier alle gemeinsam in Zukunft etwas achtsamer wären und jedem einzelnen Menschen das Verhalten erlauben, das er gerne in Social Media an den Tag legen möchte, wenn es um die emotionale Bewältigung einer Katastrophe geht.

Und jetzt ihr – welche Regeln gibt es noch?

Puh, mir ist dieser Blogbeitrag ziemlich schwer gefallen, denn er hat ganz viel mit Selbstkritik zu tun – schließlich orientiert sich mein eigenes Krisenkommunikationsverhalten nicht unbedingt an diesen 7 Punkten. Und doch gelobe ich ab heute Besserung! Und ich beachte auch gerne eure weiteren Ergänzungen und stelle eine Infografik zusammen. Denn vielleicht schaffen wir es doch eines Tages noch alle zusammen, dass diese Welt ein kleines bisschen menschlicher und verständnisvoller wird ….

Noch ein Nachtrag: Ich finde, dass wir diese Gedanken auch im Falle von Sonnenschein und Gute Laune befolgen sollten – es wird uns davor schützen, über das Ziel hinauszuschießen, andere Menschen zu verletzen oder Informationen in der Welt zu verbreiten, die eigentlich in den Mülleimer gehören ;-)

Bildquelle: Pixabay

Christa GoedeDie Autorin Christa Goede steckt viel Herzblut und noch mehr Fachwissen in digitale Unternehmensauftritte: Mit individuellen Texten und Konzepten gestaltet sie Websites und Social Media-Auftritte authentisch. Ihre Erfahrung und ihr Wissen als Texterin, Konzepterin, Social Media-Managerin und Bloggerin teilt sie hier im Blog oder live in Workshops und Vorträgen.
Tel.: +49 (0) 160 – 94 44 19 34, E-Mail: mail@christagoede.de


2 Kommentare zu „Krisenkommunikation mal ganz anders“

  1. Liebe Christa,
    ganz herzlichen Dank für deine Offenheit! Bei fast allem hab ich genickt, bei manchem gegrinst…
    Einen Gedanken hab ich noch: Nämlich über den Grund nachzudenken, der manche von uns manchmal auf direktem Weg ins zu schnelle Agieren treibt… Bei mir ist das die pure Hilflosigkeit. Nicht zu wissen, was ich sonst tun kann, wo ich doch gern helfen, trösten, zur Seite stehen, mindestens Solidarität zeigen will. Eine Lösung hab ich nicht. Aber ich versuche – auch aus genau diesem Grund – mich möglichst überall mit helfenden, freundlichen Menschen zu umgeben. Das ist – ich weiß es wohl! – ziemlicher Selbstbetrug. Aber ich hab mit mir inzwischen ein Abkommen getroffen: Es ist okay. Denn wirklich helfen kann ich virtuell sowieso nur selten – Geld, Spenden, Unterschriften. Oder eben gemeinsame Freundlichkeit. Und da hilft es sehr, von Anfang an viel Freundliches in seiner “Bubble” zu haben…. Mir jedenfalls. (Freundlich UND klug ist natürlich die Krönung… So wie dieser Beitrag hier zum Beispiel ;))
    Herzliche Grüße
    Maria

    1. Hallo Maria,

      Freundlichkeit hat noch nie jemandem geschadet ;o)) Meiner Meinung nach hilft Freundlichkeit vor allem dabei, nicht ganz den Glauben an die Menschheit zu verlieren. Denn wenn man freundlich agiert, bekommt man auch viel freundliches Feedback. Und gleichzeitig kann man sich an dem Hochschaukelprozess nicht beteiligen – oder sogar deeskalierend eingreifen …

      Liebe Grüße sendet Christa

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