Im Interview – Angi Henn

“Grafik-Designerin war nie so richtig mein Traumberuf.”

Angi vor LadenAngi kenne ich schon drölfzig Millionen Jahre, ehrlich. Denn wir haben einen ähnlichen Musikgeschmack und eine gemeinsame Vorliebe für Locations, die nicht jeder kennt – und auch nicht kennen muss. Und so überschneidet sich unser Freundeskreis seit vielen Jahren in einigen Ecken. Wir beide sind auch Mitglied bei den Hessische Mädsche, der sagenumwobenen Frauenrunde, die bevorzugt in der Vorweihnachtszeit in Erscheinung tritt und es schon bis in das Frankfurter Szeneheftchen “Frankfurt geht aus!” geschafft hat. Mehr wollt ihr nicht wissen, bestimmt nicht ;-)

Ich bewundere Angi sehr für ihren Mut, sich eine komplett neue berufliche Existenz aufzubauen, und unterstütze sie immer mal wieder mit kleinen Texten oder Pressemitteilungen. Und so war ich schon bei den Anfängen von Peggy Sue Frankfurt dabei: Zielstrebig ist Angi Schritt für Schritt gegangen und hat heute einen kleinen, sehr feinen Laden für Damenmode im Stil der 1920er bis 1960er Jahre. Leider passe ich in die meisten ihrer fabelhaften Kleider nicht hinein, doch ihre Accessoires sind auch ganz toll! Wenn ihr mal in Frankfurt seid, solltet ihr also unbedingt in diesem Laden vorbeischauen. Und für alle, die weiter weg wohnen: Fräulein Backfisch heißt Angis Onlineshop!


CG: Authentizität wird gerade zu einem Modebegriff – immer mehr Unternehmen schreiben sich echt sein auf die Fahnen. Welche Bedeutung hat Authentizität für dich und deine Arbeit?

AH: Ich glaube, dass meine Kundinnen spüren, dass ich voll hinter dem stehe, was ich tue und nicht einfach einem Trend hinterherlaufe. Bei den Produkten achte ich darauf, dass das Preis-Leistungs-Verhältnis stimmt – so habe ich ganz bewusst einige Hersteller nicht im Programm, weil sie aus meiner Sicht entweder überteuert oder so billig sind, dass ich ein Mindestmaß an Qualität nicht garantieren kann. Mir macht es Spaß, meine Kundinnen zu beraten, und ich bin dabei höflich, aber ehrlich. Von mir hört man kein „Das sieht ja SUUUPER aus“, wenn ich merke, dass die Kundin sich unwohl fühlt oder mit Mühe und Not ins Kleid gequetscht hat.

CG: Welche Plattformen benutzt du für deine unternehmerischen Außenauftritte? Verwendest du dort spezielle Stilmittel?

AH: Ich habe eine klassische Website für den Laden, einen Onlineshop sowie Facebook-Seiten für Laden und Onlineshop. Darüber hinaus nutze ich Pinterest. Ich finde es manchmal knifflig, Laden und Onlineshop sauber zu trennen, da die Produkte größtenteils identisch sind, da habe ich den Stein der Weisen noch nicht gefunden. Generell ist die Tonalität auf den Websites eher neutral-informativ, während ich auf Facebook mehr im „Plauderton“ unterwegs bin und auch mal selbst geschossene Handy-Fotos poste.

CG: Du bist Grafik-Designerin und hast viele Jahre als Freiberuflerin in Agenturen gearbeitet – heute hast du einen eigenen Laden und einen E-Shop, in denen du Kleidung und Accessoires im Retrolook der 1920er bis 1960er Jahre verkaufst. Ich bewundere dich für den Mut, diesen Schritt gegangen zu sein – hatte er auch etwas mit deiner Authentizität und deiner Leidenschaft für den Beruf zu tun? Hat sich da etwas verändert im Lauf der Jahre?

AH: Grafik-Designerin war nie so richtig mein Traumberuf, und ich habe es in diesem Beruf nie geschafft, meine persönlichen Träume und Wünsche zu verwirklichen. Ich hatte immer Schwierigkeiten, meinen „USP“ zu finden – also das, was mich gegenüber anderen Grafik-Designern auszeichnet, was mich besonders macht. Bei meiner jetzigen Tätigkeit fällt es mir hingegen ganz leicht, das zu formulieren, und mich jeden Tag wieder selbst zu motivieren. Vielleicht liegt es auch daran, dass ich beim Grafik-Design nie so glückliche Gesichter und leuchtende Augen vor mir hatte, wie ich es jetzt bei meinen Kundinnen erlebe. Doch mein Design-Background hilft mir heute natürlich, weil ich Website, Flyer und andere Kommunikationsmaterialien selbst entwerfen kann.

Der Laden von innenCG: Was glaubst du: Warum ist es für manche Menschen so schwer, individuelle Wege zu beschreiten und zu den Facetten ihrer Persönlichkeit zu stehen?

AH: Je mehr ich von meiner Persönlichkeit zeige, desto angreifbarer werde ich. Gerade im Beruf ist eine vorgefertigte Rolle wie eine Art Uniform, die zwar einengt, aber auch schützt. Diese „Rüstung“ abzulegen, ist sicher für manche eine Herausforderung.

CG: Nach gängiger Definition resultiert Authentizität aus einem Sieg des Seins über den Schein. Doch für mich als Unternehmerin ist es nicht immer einfach zu entscheiden, wie weit meine Echtheit auf professioneller Ebene gehen darf. Wie erlebst du diese Auseinandersetzung? Hat Authentizität Grenzen?

AH: Jeder, der im Verkauf arbeitet, braucht eine gewisse Professionalität. Im Gegensatz zum klassischen Freelancer hat man die meiste Zeit des Tages mit Kunden zu tun, und es gibt immer wieder Situationen, wo man eigentlich lachen, weinen oder auch mal brüllen möchte und dennoch die Contenance und professionelle Distanz wahren muss.
Meiner Authentizität setze ich außerdem da Grenzen, wo es mit meiner beruflichen Tätigkeit nichts zu tun hat. So vermeide ich z. B., mich auf Facebook politisch zu äußern. Meine Haltung ist allen klar, die mich kennen, da muss ich nicht alle naselang irgendwelche politischen Statements liken.

CG: Mit Authentizität gehen Begriffe einher wie ….

Peggy Sue Frankfurt ModenschauAH: a. Ehrlichkeit, gegenüber sich selbst und anderen.
b. eine Meinung zu haben und sie auch mitzuteilen.
c. Humor – authentische Menschen können über sich selbst lachen.
Diese 3 Begriffe sind für mich dadurch verbunden, weil man mit ihnen gerade einem kleinen Unternehmen eine echte Persönlichkeit verleihen kann und sich von den anonymen, großen Ketten abheben kann.

CG: Was glaubst du: Warum werden öffentliche Gefühlsausbrüche von Persönlichkeiten heute besonders geschätzt? Der Wutausbruch von Bundesaußenminister Steinmeier hat viel öffentliche Bewunderung erfahren und ist zum echten Youtube-Hit geworden mit mittlerweile mehr als 2,6 Mio. Klicks.

AH: Es ist etwas widersinnig – einerseits hat man bei den Nachrufen auf Helmut Schmidt gesehen, dass man an ihm den Mut zur eigenen Meinung und zu unpopulären Entscheidungen besonders geschätzt hat. Andererseits wird Angela Merkel aktuell genau deshalb angefeindet, weil sie in der Flüchtlingspolitik einmal nicht nach Meinungsumfragen entschieden hat, sondern Mut zu einer Haltung gegen ihre eigene Partei und eine Stimmung in der Bevölkerung hat. Bei Steinmeier wirkt es vielleicht gerade deshalb, weil man ihn sonst als kühlen Berufspolitiker kennt. Bei solchen Menschen fällt es natürlich noch mehr auf, wenn sie mal aus ihrer klassischen Rolle fallen.

CG: Zum Schluss ein Blick in die Kristallkugel: Welche unternehmerischen Strategien werden in den nächsten Jahren Interesse wecken – und zum Beispiel aus Interessenten Käufer machen?

AH: Dieses Jahr werde ich zum ersten Mal eigene Fotoshootings machen, sodass ich mehr Möglichkeiten habe, die Produkte individueller in Szene zu setzen. Außerdem arbeite ich an Ideen, wie ich die Beratungsqualität aus dem Laden in den Onlineshop transportieren kann. Generell wird der Fokus auf den Onlineshop etwas stärker werden. Und wenn ich mir endlich mal ein neues Handy kaufe, gibt’s auch Instagram ;-)


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Bildquellenangabe: Ulrike Klaiber

3 Kommentare zu „Im Interview – Angi Henn“

  1. Auch ich bewundere den Mut zum Laden. Das fehlte mir damals mit meinen Bildhauererzeugnissen. Heute wäre ich da auch authentischer mit gewesen.

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