Authentizität in der Werbung

Sein oder Schein? Die Herausforderungen der authentischen Werbung.

Authentisch sein, Echt sein, sich nicht mehr verstellen, nicht länger schauspielern müssen – ein Ziel, das sich viele Unternehmen und Unternehmer auf die Agenda geschrieben haben. Das Marketing soll authentisch werden, wertige Blogbeiträge sollen im persönlichen Stil geschrieben werden und die gesamte Kundenansprache soll sich nicht nur auf den Nutzen des Angebots oder Produkt fokussieren, sondern ganz nebenher auch noch die nachhaltige und stringente Unternehmenspersönlichkeit sichtbar machen. Mensch läuft Krokodil ins MaulUnd das alles, um die eigene Glaubwürdigkeit zu erhöhen – und damit auch den Umsatz. Uffz.

Uffz deshalb, weil wir alle ein feines Gespür dafür haben, was echt ist: So empfangen und verarbeiten wir zum Beispiel Werbebotschaften immer im Zusammenhang und ordnen sie ein in unseren Erfahrungsschatz und in unser ethisch-moralisches Weltbild – ähnlich wie im persönlichen Gespräch, wo wir nicht nur die Worte hören, sondern unterbewusst auch die Körpersprache wahrnehmen und das Gesprochene automatisch mit dem abgleichen, was wir sehen. Unsere sensiblen Antennen sorgen dafür, dass wir Vorgespieltes und Inszeniertes bei Unternehmen und Personen recht schnell erkennen und durchschauen – und uns in der Folge abwenden oder im schlimmsten Fall sogar verärgert sind. Viele Firmen ignorieren die Tendenz zur mehr Authentizität in der Werbung daher bis heute lieber vollständig: So manche Chefetage fühlt sich scheinbar, als würde sie das Unternehmen regelrecht den bösen Kunden zum Fraß vorwerfen, wenn die jahrzehntelang gewöhnte, alles könnende Werbeglitzerwelt gegen Fakten, Nutzen und Mehrwert austauscht werden würde.

Der Duplo-Prinz und die kalorienreduzierte Schmierwurst

Da wird dann munter und lustig weiter “authentische Werbung” produziert, die mehr als nur nervt. Ich persönlich finde, die Meisterschaft in dieser Disziplin hat sich Ferrero über Jahre hinweg hart erarbeitet – zum Beispiel mit den coolen Hipster-Küsschen-Freunden, der durchgestylten Kirschpflückerin Claudia Bertolli oder dem Dublo-Prinzen, der das Herz einer Großstadt-Cinderella mit japanischer Faltkunst erobert. Wenn Duplo-Fans genau so sind, möchte ich am liebsten nie wieder ein Duplo naschen.

Oder die scheußliche “Ich will so bleiben wie ich bin!”-Kampagne, die im perfiden Markennamen “Du darfst!” endet – als hätte kalorienreduzierte Schmierwurst irgendetwas mit der freien Entfaltung meiner Persönlichkeit zu tun. Und als ob ich eine Erlaubnis von wem auch immer bräuchte, um ich selbst zu sein und auch zu bleiben …

Ehrlich, bis es wehtut?

Darüber hinaus gibt es noch einen Werbetrend, der auf eine andere Art und Weise fast weh tut beim Hinsehen – und genau deshalb erfolgreich ist. Denn er zeigt direkt und sehr plastisch, was von den Werbeversprechen eines Unternehmens zu halten ist. Und er kommt erfreulicherweise ganz ohne Glitzer und Schischi aus. Hier ein aktuelles Beispiel:

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Zugegeben: Es ist schon für mich als Freiberuflerin nicht immer leicht, unternehmerische Authentizität zu leben. Noch schwerer wird es, wenn es um ein Unternehmen mit vielen Mitarbeitern geht – zumal jedes Unternehmen in seinem Kern aus erheblich mehr als der bloßen Summe seiner Mitarbeiter besteht. Und dazu noch die Tatsache, dass es uns allen natürlich auch ums Geld verdienen geht – ein wenig Opportunismus erscheint da hin und wieder sehr verlockend. Dabei hat eine authentische Unternehmenspersönlichkeit viele Vorteile: So kann zum Beispiel die persönliche und stringente Darstellung des Unternehmens zum echten, unverwechselbaren USP werden – gerade in den Fällen, in denen es trotz aller fundierten Analysen eigentlich kein klares Alleinstellungsmerkmal gibt.

Authentizität – ein langfristiges Projekt

Authentische Werbung ist ein langfristiges Projekt, denn der Aufbau von Vertrauen funktioniert nicht von heute auf morgen. Und es gibt nicht DIE EINE LÖSUNG, die für alle Unternehmen passt – jedes Unternehmen muss individuell entscheiden, wie Authentizität und die damit verbundene Glaubwürdigkeit am besten zu erreichen sind. Aber eins ist immerhin sicher: Die Fokussierung auf himmelweit übertriebene, rosarot blinkend inszenierte Produktvorteile hat ausgedient. Was ein Glück ;-)

Bildquelle: Pixabay

Christa GoedeDie Autorin Christa Goede steckt viel Herzblut und noch viel mehr Expertenwissen in digitale Unternehmensauftritte: Mit individuellen Texten und Konzepten gestaltet sie Websites und Social Media-Auftritte authentisch. Ihre Erfahrung und ihr Wissen als Texterin, Konzepterin, Social Media-Managerin und Bloggerin teilt sie hier im Blog oder live in Workshops und Vorträgen. Tel.: +49 (0) 69 – 63 39 29 77, E-Mail: mail@christagoede.de


6 Kommentare zu „Authentizität in der Werbung“

  1. Hm, das wirklich extrem coole Beispiel von BISSELL ist von vorne bis hinten durchinszeniert. Und authentisch ist ein Salatkopf. Der wächst nämlich einfach so vor sich hin, egal, was wir sagen. Was wir von Unternehmen und Führungskräften – aber auch von unseren Kolleginnen – erwarten, ist, dass sie rollenadäquat handeln. Vielleicht erinnerst Du dich daran, wie Wolfgang Schäuble seinen Pressesprecher vor laufender Kamera zusammen faltete. Absolut “authentisch”, absolut daneben.

    Meine Einschätzung: Das Publikum erwartet eine intelligente Inszenierung, die begeistert und den Erwartungen an den Akteur entspricht oder intelligent mit ihnen spielt oder sie sogar bricht – um sie dann wieder sinnvoll zu kontextualisieren.

    1. Hallo Sascha,
      Authentizität hat natürlich nichts mit Sympathie zu tun – es gibt genug Menschen, die bei mir als “echt authentische Arschlöcher” ankommen. Aber darum geht es gar nicht – und das wird in dem Video schön deutlich. Da geht es um den knallharten Nutzen des Produkts und nicht um den sympathischen Duplo-Prinzen.
      Noch ein Einwurf: Deinem Vergleich mit dem Salatkopf kann ich auch nicht folgen, denn das, was wir im Supermarkt als Salat kaufen, stammt aus einem Gewächshaus, wurde gedüngt und die Saat auch noch genetisch verändert. Das ist kein authentischer Salat, das ist – ganz wertfrei – ein Design-Salat.
      Liebe Grüße,
      Christa

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