Dialog in Social Media: Schock – der Kunde spricht mit uns!
Ein Schlagwort in Zusammenhang mit Social Media ist das Wort “Dialog”. Da heißt es “Social Media ist Dialog-Marketing!”, “Der Dialog ist der Erfolgsfaktor für Unternehmen!” oder “Nutzen Sie Dialoge für Ihr Unternehmen!”. Doch was genau ist das eigentlich, dieser “Dialog”, von dem alle sprechen? Bei Wikipedia heißt es dazu: “Ein Dialog ist eine mündlich oder schriftlich zwischen zwei oder mehreren Personen geführte Rede und Gegenrede. Er ist Teil des Sprachgebrauchs.” Und weiter im Text: “Sein Gegensatz ist der Monolog, das Gespräch einer Person mit oder vor sich alleine (vor allem im Drama), aber auch als Rede und Vortrag.”
Aha! Ein Dialog besteht also aus Rede und Gegenrede – er ist ein Gespräch oder eine Diskussion. Eigentlich ganz einfach, oder?
Weil das schon immer so ist!
Vorab: Ich mache Social Media. Beruflich. Bei meiner täglichen Arbeit frage ich mich immer wieder, warum so viele Unternehmen bis heute Dialog und Monolog verwechseln: Da werden via Facebook munter langweilige Pressemitteilungen verteilt, die neuesten – natürlich ausschließlich positiven – Geschäftszahlen via Twitter bekannt gegeben oder inhaltslose “Wir sind die Besten!”-Beiträge in Xing-Gruppen rausgeschickt. Warum das so ist? Weil das schon immer so ist!
Und früher war sowieso alles viel besser: Da wurden nämlich klassische Flyer und Broschüren verteilt, Werbebriefe verschickt und Anzeigen in Zeitungen und Magazinen geschaltet. Alles schön kontrollierbar und von mindestens 5 Verantwortlichen im Unternehmen freigegeben. Diese Form des Marketings war zwar richtigrichtigrichtig teuer, aber dafür erwarteten die Unternehmen höchstens Überraschungen wie die niedrige/hohe Response-Quote des letzten Mailings. Oder die große/kleine Reichweite der letzten ganzseitigen Anzeige in einer Tageszeitung. Der Dialog mit dem Kunden fand ausschließlich via Telefon und Mail statt – Unternehmen hatten die volle Kontrolle und in den meisten Fällen sogar die absolute Informationshoheit.
… doch dann kam Social Media! Schock!
Dieser Schock ist noch dazu kein kleiner Schock für Unternehmen, die noch in der alten Marketingdenke verhaftet sind. In einem solchen Unternehmen wird nach vielen internen Diskussionen eine Facebookseite ins Leben gerufen und jemand im Unternehmen bestimmt, der sich um diese Seite kümmert. (Nein, ich bemühe nun nicht den Praktikanten oder den Azubi, der als einzige Qualifikation für diesen Job sein geringes Alter mitbringt ;o)) Und dann zündet der Social Media-Schock in drei Erkenntnis-Stufen:
- Erkenntnis 1: Wäää, unsere Kunden reden MIT uns!
Ist das nicht furchtbar, Kunden, die mit einem Unternehmen REDEN! Wo kommen wir denn da hin! Die Kunden geben Feedback – manchmal gut, manchmal schlecht. Sie stellen Fragen. Und sie interessieren sich für geschäftliche Hintergründe! Oh nein! Nun tauchen erste panische Fragen auf: Wer soll diese Fragen beantworten? Was können wir sagen und was nicht? Wer gibt die Freigabe für die Antworten? Und was werden die Mitarbeiter sagen, wenn sie unsere Statements auf Facebook lesen? - Erkenntnis 2: Wäää, unsere Kunden reden ÜBER uns!
Oh nein, jetzt reden auf unserer Facebook-Seite Kunden über uns! Die kannten sich doch bisher gar nicht … was machen wir nun? Das ist nämlich brandgefährlich: Was da alles rauskommen könnte! Wem müssen wir nun alles sagen, dass da Kunden über uns reden? Dass wir im Fokus eines Gespräches oder einer Diskussion stehen? Mischen wir uns ein oder lesen wir einfach nur mit? Wenn wir uns einmischen – wie genau sollen wir uns einmischen? Oder sollen wir besser alles löschen? - Erkenntnis 3: Wäää, unsere Kunden reden OHNE uns!
Ach du liebes bisschen: Da schickt einer unserer Lieferanten einen Link zu einem Forum, in dem über uns geredet wird. Dürfen die das? Einfach so? Haben die irgendjemanden im Unternehmen gefragt, ob die dort über uns reden dürfen? Müssen wir jetzt etwas dazu schreiben? Oder die Rechtsabteilung beauftragen? Den Forumbetreiber abmahnen? Was wäre passiert, wenn wir das nicht gemerkt hätten? Himmel, wir dürfen gar nicht darüber nachdenken, dieses Social Media ist echt Teufelszeug! Macht das weg!
Sie haben nun schallend gelacht? Ich auch ;o)) Aber erst im Nachhinein. Denn in den Situationen, in denen ich das hier Beschriebene teilweise persönlich erlebt habe, war mir nicht zum Lachen zu mute. Ich war eher entsetzt: Entsetzt darüber, wie viele Unternehmen bis heute nicht erkannt haben, dass ihre alten Marketingstrategien nicht mehr funktionieren. Dass sie nicht bemerken (wollen?), dass ein Umdenken im gesamten Unternehmen erforderlich ist, wenn man als Unternehmen in den “neuen Zeiten” mithalten und seinen Platz am Markt behaupten will. Und dass Unternehmen nicht begreifen, dass mit der Einführung einer Marketingstrategie, die auch Social Media beinhaltet, ein hoch komplexer Change-Management-Prozess in Gang gesetzt wird, der das ganze Unternehmen umkrempeln wird. Ganz gleich, ob die Geschäftsleitung und das Management das gut finden oder nicht. Und dass dieser Prozess auch in Gang kommt, wenn das Unternehmen Social Media zu 100% ignoriert.
Alles wird gut.
Am Ende dieses Prozesses könnten Unternehmen stehen, die transparent und in klaren Verantwortlichkeiten arbeiten, flache Hierarchien haben und vom offenen Dialog umfassend profitieren. Unternehmen, die Social Media nicht nur für den Dialog mit den Kunden nutzen, sondern mit Social Media auch intern ihre Gesprächskultur und Informationspolitik optimieren. Warum ich das als Vision schreibe? Weil es für die meisten Unternehmen zurzeit noch eine Vision ist – und nicht die gelebte Wirklichkeit. Doch ich glaube ganz fest daran, dass das Werkzeug Social Media in JEDEM Unternehmen gewinnbringend eingesetzt werden kann – und zwar gewinnbringend für Kunden, Interessenten, Management, Geschäftsführung und die Mitarbeiter! Allerdings setzt es voraus, dass sich Unternehmen auf die anstehenden Veränderungen einstellen, sich offen zeigen für Neues, sich ausprobieren und mutig sind.
Was denken Sie? Woran kann es liegen, dass sich so viele Unternehmen scheuen vor einem echten Dialog? Wie schätzen Sie Ihr Unternehmen ein? Ich freue mich auf Ihr Statement, Ihren Input und Ihre Ideen ;o))
Bildquellenangabe: www.pixabay.de
Ein toller Bericht, den wir gerne unter die Leute bringen.
Blog gepostet/geteilt in facebook unter fairkaufstraining e.U. lieben Gruß Doris Moc
Danke – das freut mich sehr ;o))
Wunderbar! *kicher* Ich hab die “Wääää”s quasi hören können.
Warum viele Unternehmen sich davor scheuen? Vielleicht aus dem gleichen Grund, aus dem sich viele auch im Privaten echtem Dialog ausweichen (und lieber monologisieren): Es ist anstrengend, man muss zuhören können, auf andere eingehen, auch mal unbequemes hören und darauf angemessen reagieren.
Übertragen aufs Unternehmen: Es erfordert eine ganz andere Haltung zu Kunden und sonstigen Zielgruppen und es ist ungleich aufwendiger. Je größer der Laden, desto schwieriger ist es umzusetzen – diese Weisheit gilt meines Erachtens nicht nur für Social Media, aber das ist wieder ein anderes Thema ;-).
Ja, Annette – du sprichst mir aus dem Herzen ;o)) Denn der Change-Prozess durchzieht alle Bereiche eines Unternehmens. Und sollte idealerweise vom Kopf, also der Geschäftsleitung, starten …
Wir warten mal ab, was 2014 bringen wird!
Liebe Christa,
sehr schön geschrieben :D
Ja, viele Menschen sind wirklich von diesem Dialog überfordert. Es erfordert ein echtes Umdenken im Kopf der Einzelnen und vor allem der Unternehmen, da stimme ich Annette voll zu.
Unternehmen haben oft nicht die Flexibilität zeitnah auf etwas reagieren zu können und geben ihren Mitarbeitern zu wenig Entscheidungsspielraum und damit Vertrauen. Viel Unternehmer, gerade in kleinen Unternehmen wollen die Kontrolle über alles haben und alles entscheiden. Das funktioniert aber heute immer schlechter.
Und, viele “wittern” immer böse Absichten (oft aus Unkenntnis und der eigenen Angst) hinter jedem Post von einem Kunden. Vielleicht gilt es hier auch mehr die positiven Dinge im Leben zu betrachten.
Ganz liebe Grüße
Silke
Liebe Silke,
ja, genau so ist das! Ich sage dann immer: “Die Menschen im Internet sind nicht so böse, wie Sie gerade denken ;o))” Denn es ist auch so, dass der Umgang hier in fast allen Fällen höflich und freundlich ist. Aber in die Öffentlichkeit gelangen ja ausschließlich die Shitstorms und die Unflätigkeiten. Schade!
Liebe Grüße,
Christa
Die Weihnachtszeit, die Weihnachtszeit – daher nur ein kurzer Gruß und ein Lob für einen wieder sehr schönen Artikel, der mich zum Schmunzeln brachte.
Ich wünsche frohe Feiertage und einen guten Rutsch ins neue Jahr! :)
Liebe Grüße,
Alice
Danke, dir auch, liebe Alice ;o)