Im Interview – Britta Janzen

“Im Einzelhandel ist meine Art Gold wert!”

Britta Janzen in ihrem WollgeschäftBritta Janzen kenne ich schon sehr lange – in ihrem früheren Leben als Journalistin haben wir sogar mal zusammen gearbeitet. Ich bewundere sie sehr dafür, wie radikal sie vor einigen Jahren ihr Leben geändert hat! Denn nach reiflicher Überlegung hat sie der Schreiberei den Rücken gekehrt und in Kiel ihr eigenes Wollgeschäft gegründet. Ja, du hast richtig gelesen, ein Wollgeschäft. In Zeiten von Amazon und Co. hat sie sich entschlossen, in einen echten Laden zu investieren … wow.

Mit viel Mut, Tatkraft und tollen Ideen hat sie aus diesem verwegen anmutenden Projekt einen florierenden Laden gemacht – ein echtes Geschäft mit echten Menschen, das echte Gewinne abwirft. Chapeau!


CG: Du hast vor mehr als 3 Jahren Kiels wohl schönsten Wollladen „Wolle & Wunder“  gegründet – und dafür deine Arbeit als freie Journalistin und Beraterin nach 25 Jahren aufgegeben. Wie kam es zu diesem doch ziemlich extremen Wandel?

BJ: Zum einen befinden sich die Honorare im Journalismus seit Jahren im freien Fall – und obwohl ich hervorragend vernetzt war und mich nicht über mangelnde Aufträge beschweren konnte, reichte das Geld irgendwann einfach nicht mehr zum Leben. Zum anderen war ich nach rund 25 Jahren einfach leer geschrieben – ich hatte gefühlt jedes Thema schon mal behandelt und lechzte nach einer beruflichen Veränderung. Dass ich nun Besitzerin eines Wollgeschäftes bin, war eher ein Zufall: mir kam zu Ohren, dass ein Wollgeschäft eventuell zur Übernahme steht. Das kam letztendlich nicht zu Stande, aber ich hatte Finanzierung, Business Plan und zahlreiche Ideen – und dachte mir, ich mach das jetzt einfach!

CG: Authentizität ist ein Modebegriff – viele Unternehmen und Selbstständige schreiben sich Echt sein auf die Fahnen. Welche Bedeutung hat Authentizität für dich und deine Arbeit?

BJ: Zum Teil ist Authenzität ist für mich reine Bequemlichkeit. Ich hasse es, mich zu verstellen und zu verbiegen. Das war schon immer so! Wenn ich etwas sage, dann meine ich das auch so – bei mir gibt es keinen Subtext und keine Hintergedanken. Das hat natürlich nicht immer nur Vorteile, manchmal würde ich gerne strategischer kommunizieren. Aber im Einzelhandel ist meine Art Gold wert! Ich interessiere mich wirklich für meine Kundinnen und ihre Geschichten. Denn hinter fast jedem Strickstück steckt natürlich etwas: ein frisches Enkelkind, das eine Decke bekommen soll. Eine gute Freundin mit Krebs, die für die Chemotherapie eine superweiche Mütze braucht. Ein Pullover in einer knalligen Farbe, mit dem man eine schwere Entscheidung quasi in Wolle verewigt. Es ist diese persönliche Atmosphäre, die meine Kundschaft dazu bringt, bei mir zu kaufen statt im Internet. Das Zwischenmenschliche ist das entscheidende.

CG: Warum ist es so schwer für viele Menschen, individuelle Wege zu beschreiten und das zu tun, was uns wirklich ausfüllt?

Britta Janzen mit selbstgestricktem SchalBJ: Da kann ich natürlich auch nur mutmaßen. Insgesamt habe ich ganz oft den Eindruck, dass den meisten Menschen die Meinung anderer viel zu wichtig ist – und oft ist es ja noch nicht mal die bekannte Meinung, sondern sie mutmaßen, was andere wohl denken könnten. Und in vorauseilendem Gehorsam wird dann alles vermieden, was eventuell Kritik oder Missgunst hervorrufen könnte.
Zum anderen muss man natürlich ordentlich optimistisch sein, um Risiken einzugehen – vor allem finanziell. Seit meiner Geschäftsgründung vor drei Jahren gab es auch bei mir Momente, in denen ich schlecht geschlafen habe, weil Einnahmen und Ausgaben noch nicht im Gleichgewicht waren und das Konto leer. Letztendlich ist es gut gegangen – und ich habe auch immer fest daran geglaubt.

CG: Welche Plattformen benutzt du für deinen unternehmerischen Außenauftritt? Verwendest du dort spezielle Stilmittel? Welche Strategie verfolgst du langfristig?

BJ: Ich nutze vor allem Facebook, daneben bin ich natürlich auch bei Pinterest und Instagram unterwegs. Meine eigene Website hat keinen Onlineshop, sondern bietet nur Informationen – zum Beispiel über unsere Strickkurse. Auf allen Kanälen schreibe ich, was mir gerade so einfällt – mal Hinweise auf neue Ware, mal Fundstücke aus dem Internet, ab und zu auch kleine Anekdoten aus dem Wollgeschäft. Eine richtige Strategie steckt überhaupt nicht dahinter, ich weiß aber, dass meine Postings das Verbundenheitsgefühl meiner Kunden mit meinem Geschäft stärken.

CG: Nach gängiger Definition resultiert Authentizität aus einem Sieg des Seins über den Schein. Doch für mich als Unternehmerin ist es nicht immer einfach zu entscheiden, wie weit meine Echtheit auf professioneller Ebene gehen darf. Wie erlebst du diese Auseinandersetzung? Hat Authentizität Grenzen?

BJ: Natürlich gibt es auch Momente, in denen ich meine Meinung lieber für mich behalte. Das hat allerdings Grenzen: bei klar rassistischen Äußerungen zum Beispiel muss ich contra geben, was mich auch schon Kundschaft gekostet hat. Ich hatte auch schon einen Mini-Shitstorm bei den Bewertungen meines Geschäftes, nachdem ich privat in einer online Diskussion offensichtlich jemanden von der AfD auf den Fuß getreten bin. Auch das Thema Umwelt und Klimaschutz finde ich oft schwierig – weil die Lager sich dort recht unversöhnlich gegenüber stehen. Also versuche ich Zeichen zu setzen, ohne zu polarisieren. Zum Beispiel hab ich mein Geschäft zum letzten großen  Klimastreik geöffnet, aber an dem Tag Sonderrabatte auf nachhaltige, vegane, Bio- und Recycling-Garne gegeben. Also auf mehr als das halbe Sortiment.

CG: Mit Authentizität gehen Begriffe einher wie ….

BJ: a. Entspannung – weil es viel einfacher ist, so zu sein wie man ist. b. Sympathie – weil ich authentische Menschen einfach mag. c. Vielfalt – denn jeder Mensch ist anders und sollte dazu stehen, statt sich krampfhaft anzupassen, um es allen recht zu machen.

CG: Was glaubst du: Warum wird Authentizität von vielen Menschen ganz besonders geschätzt?

Selbst gehäkelte AbschminkpadsBJ: Wir leben in einer Zeit, in der Fotos „verschönt“ werden, bis nichts Reales mehr übrig ist, in denen das TV Laien-Schauspieler als echte Menschen und ihre Schicksale verkauft, in der viel zu oft Schein wichtiger ist als sein, in der Körper operativ optimiert werden. Zu sagen „Hey, so bin ich!“ gilt bei manchen im ersten Moment quasi als revolutionär. Dass andere eben auch nicht perfekt sind – das nimmt auch bei einem selbst den Druck raus.

CG: Zum Schluss ein Blick in die Kristallkugel: Mit welchen Strategien werden Geschäfte wie deins in den nächsten Jahren die Aufmerksamkeit der potenziellen Kundinnen und Kunden auf sich ziehen?

BJ: Es sind die echten Menschen, die den Unterschied machen. Ein Geschäft muss mehr sein als der Ort, bei dem Ware gegen Geld getauscht wird – der stationäre Handel muss eine Atmosphäre zum Wohlfühlen bieten, Kontakte, Unterhaltung, Beratung, ein Lächeln. Wer Kunden nur als lästige Störung mit Portemonnaie sieht, wird im Handel über kurz oder lang untergehen.

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Bildquellenangabe: Britta Janzen

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