Im Interview – Effi B. Rolfs

“Individualität ist harte Arbeit an sich selbst.”

Effi B. Rolfs im ProfilDiese Powerfrau bewundere ich aus der Ferne schon sehr lange: Ich hab Effi öfter im Einsatz auf der Bühne bestaunt, wenn ich mich in der Schmiere, dem “schlechtesten Theater der Welt”, schlapp gelacht habe. Persönlich kennengelernt haben wir uns dann vor ein paar Jahren – und zwar auch wieder auf Facebook ;-) Unter einem Posting einer gemeinsamen Freundin kamen wir ins Gespräch. Kurze Zeit später saß Effi dann bei mir im Wohnzimmer für einen kleinen, ziemlich unterhaltsamen Social Media-Workshop. Denn die Welt ist ja bekanntlich klein. Und gestern war ich dabei, als Effi im Kaisersaal im Frankfurter Römer die Goetheplakette überreicht wurde – was für eine Ehre! Danke dir, Effi!


CG: Du bist die Chefin und das Gesicht des wohl bekanntesten Frankfurter Satiretheaters, der Schmiere. Mit den Stilmitteln des Kabaretts arbeitet ihr euch an tagesaktuellen Themen ab – in dieser Saison geht es zum Beispiel um Fakenews oder auch darum, wie man mit Flaschenpfand reich werden kann. Auch Social Media nehmt ihr auf Korn: In dem Stück „Ein Strauß voller Narzissten“ geht es darum, wie wir uns alle digital verkaufen und produzieren. Du selbst bist auf Social Media aktiv, zeigst, was du in deiner Freizeit machst und postest auch öfter mal Nachdenkliches – ganz ohne Witz. Wie viel Effi steckt in all diesen Rollen? Welche spielst du, welche lebst du? Oder gibt es da vielleicht gar keine Trennung?

ER: Rollen spiele ich prinzipiell nur auf der Bühne – wobei ich den Begriff „Bühne“ da schon recht weit stecke. Denn auch Facebook, Instagram und Co sind für mich eine Bühne, die ich versuche zu beleben oder zu nutzen. Die „Auftritte“ der Schmiere in den Medien oder sozialen Netzwerken sollen neugierig machen, auch mal mit dem Blick hinter die Kulisse. Denn es ist als Kulturschaffende unglaublich anstrengend geworden, überhaupt potentielle Zuschauer auf sich aufmerksam zu machen. Es gibt alleine im Stadtgebiet Frankfurt um die 30 festen Theaterhäuser, die regelmäßiges Programm bieten und den Anspruch erheben, davon leben zu wollen. Dazu kommen noch unzählige Events, Clubs und Feste, die zum großen Teil einen deutlich höheren Werbeetat vorweisen können als wir. Da braucht es schon das „gewisse Etwas“, um (neue) Besucher für sich zu interessieren.
Wir leben diese Form des Auftritts ja auch im echten Leben in der Schmiere. Ich stehe abends an der Kasse, begrüße die Leute, die Kollegen wuseln auch mal im Publikum umher. Diese Form der Nähe zum Zuschauer gehört schon von Anfang an zur Schmiere und ist speziell für mich ein unverzichtbarer Teil meines Jobs. Der Kontakt zum Menschen und die Kommunikation mit verschiedensten Charakteren ist das Futter für mein Kabarettistenhirn.
Ich, Effi, bin medial gerne „halbprivat“ unterwegs, wie ich das immer nenne. Das heißt, ich lasse hier und da mal jemanden an meiner Freizeit teilhaben, oder haue auch mal ein Statement raus. Aber auch dabei setze ich meine Worte oder Bilder ein, um zu agieren und andere zum Reagieren zu animieren. Das wirklich Private geht bei mir nicht über den Buschfunk. So habe ich noch nie ein Bild meines Pubertiers, meines Lebensgefährten oder von einer Party gepostet. Denn es muss – soweit das heute überhaupt noch möglich ist – geschützte Rückzugsgebiete geben, die nur mir gehören. Wann ich wen woran teilhaben lassen möchte, will ich selbst entscheiden können.

CG: Authentizität ist ein Modebegriff – viele Unternehmen und Selbstständige schreiben sich Echt sein auf die Fahnen. Welche Bedeutung hat Authentizität für dich und deine Arbeit?

Effi B. Rolfs auf der BühneER: Tja, auf die Fahne schreiben sich das tatsächlich viele. Könnten wir hinter die Kulissen der Werbeversprechen oder Firmenbotschaften schauen, würde da wahrscheinlich nicht mehr viel „Echtheit und Originalität“ übrig bleiben. Es hört sich halt gut an und verkauft sich gut.
Ich, als Leiterin der Schmiere und auch als Privatperson, versuche, diesen Weg schon lange zu gehen. Echt sein, ehrlich sein, die Prinzipien nicht aufzugeben ist alles andere als einfach. Ich versuche, alle Erfahrungen, privat und geschäftlich, immer wieder mir selbst vor Augen zu führen, sie bewusst wahrzunehmen. Ich spreche mit Vertrauenspersonen immer wieder darüber, wenn ich mir selbst kein klares Bild von einem Erlebnis oder einer Erfahrung machen kann. Und ich hole mir mir Hilfe – mal gedanklich, mal händisch.
Menschen, mit denen ich öfter zu tun habe, erleben mich als eine grundehrliche und faire Person. Das macht den Umgang miteinander nicht immer leicht, denn jemandem auch mal ganz offen etwas direkt ins Gesicht zu sagen, womit er vielleicht gar nicht rechnet, bringt die verschiedensten Reaktionen mit sich. Ehrlichkeit kann auch wehtun, selbst wenn man sie mit Samthandschuhen anwendet.
Und im Job kostet Authentizität Geld, da mache ich mir nichts vor: Da sind Werbeangebote, die wir ausschlagen. Gastspielanfragen, die für uns nicht infrage kommen. Firmenfeiern, die wir nicht gestalten wollen. Die Liste ist lang und kostet jede Spielzeit bares Geld. Geld, auf das wir als unsubventioniertes Theater nur bewusst verzichten können.

CG: Warum ist es so schwer für viele Menschen, individuelle Wege zu beschreiten und das zu tun, was uns wirklich ausfüllt?

ER: Wer weiß denn schon, was einen ausfüllt? Wir werden doch groß in irgendeiner Form von sozialstaatlich-kapitalistisch organisierten Gesellschaftsform, in der uns unser vermeintlicher Lebensweg sehr früh in die Wiege gelegt wird.
Von diesem Weg nur kleine Abweichungen vorzunehmen kostet doch schon Kraft, Energie, Überzeugung, Kreativität. Wir wissen doch theoretisch alle, dass in uns ganz viel unentdecktes Potential steckt. Aber dieser erste – und absolut unverzichtbare – Moment, etwas mal anders zu machen oder zu probieren … genau diesen einen Moment zu erkennen und auch noch zu nutzen … das ist Glück? Wahnsinn? Chaos? Genie?
Individualität ist harte Arbeit an sich selbst.

CG: Welche Plattformen benutzt du für den Außenauftritt der Schmiere? Verwendest du dort spezielle Stilmittel? Trennst du zwischen der Privatperson Effi und der Schmiere?

ER: Die Schmiere hat eine klassische Website, die meist einen rein informativen Charakter hat und weniger persönlich rüberkommt. Dort ist auch der Ticketverkauf zu finden, die Website ist die erste Anlaufstelle und klar strukturiert nach den Bedürfnissen der User.
Die Facebook-Seite der Schmiere bietet über den Veranstaltungskalender hinaus etwas mehr Individuelles – also auch mal ein Bericht von den Proben, ein kleines Video vor einer Premiere oder auch Aktionen, die zum Mitmachen auffordern.
Bei Instagram gibt´s auch mal bisschen Blödsinn und Spaß mit lässigeren Kommentaren oder Bildern.
Als Effi B. Rolfs bin ich auf Facebook und Instagram zu finden, und da schaue ich mir meine Follower auch ziemlich genau an. Eine Website für mich selbst habe ich nicht, obwohl ich gerne in einem eigenen Blog schreiben würde. Aber das ist zeitlich für mich nicht machbar, es bleibt auch so schon viel zu viel Arbeit zu lange liegen.

CG: Nach gängiger Definition resultiert Authentizität aus einem Sieg des Seins über den Schein. Doch für mich als Unternehmerin ist es nicht immer einfach zu entscheiden, wie weit meine Echtheit auf professioneller Ebene gehen darf. Wie erlebst du diese Auseinandersetzung? Hat Authentizität Grenzen?

Effi B. Rolfs im vollen EinsatzER: Was heißt da „… wie weit Authentizität gehen darf“? Wie weit Authentizität gehen muss, um sie für sich als solche zu bezeichnen … da sind wir wieder bei der Individualität. Auf das, was andere sagen, nicht hören und doch darauf antworten.

CG: Was glaubst du: Warum wird Authentizität von vielen Menschen ganz besonders geschätzt?

ER: Wahrheit tut oft nicht gut, doch besser. Es ist Selbsterhaltungstrieb, dass viele sich selbst nicht kennenlernen wollen.
Ich gehe gerne immer wieder das Risiko ein, hinter meine eigenen Kulissen zu schauen. Die sich daraus ergebende „Aufgeräumtheit“ wird unbewusst von meinem Gegenüber wahrgenommen … manche schrecken davor zurück, manche sind fasziniert.

CG: Mit Authentizität gehen Begriffe einher wie ….

ER: a.) Offenheit – der Versuch mich selbst an mich ran zu lassen. b.) Ehrlichkeit – ich ändere keine Situation mit dem Schließen der Augen. c.) Fairness – mir selbst und anderen gegenüber.

CG: Zum Schluss ein Blick in die Kristallkugel: Welche unternehmerischen Strategien werden in den nächsten Jahren Interesse wecken – und zum Beispiel aus interessierten Menschen regelmäßige Schmieregänger machen?

ER: Oh, wenn ich das im Detail schon wüsste …
So steht im März 2019 die Verleihung der Goetheplakette der Stadt Frankfurt an mich an! Nachdem ich nun den ersten „Schreck“ überwunden habe, werde ich ganz sicherlich versuchen, bei dieser Gelegenheit die Schmiere und mein Team ungekünstelt und trotzdem interessant zu vertreten und zu präsentieren –  und so hoffentlich viele Menschen neugierig auf diese unkonventionelle, weibliche (!!) Theaterdirektorin machen. Das ist schon eine ziemlich spannende und konkrete Herausforderung.
Gefolgt von vielen anderen Tagen und Ideen und Vorhaben … die Schmiere geht auf die 70. Spielzeit (Herbst 2019) und den 70. Geburtstag (Herbst 2020) zu: Auch da möchte ich versuchen, den Spagat zwischen der Tradition des Kabaretts „Die Schmiere“ und dem hammerharten Alltag einer Kreativen in der heutigen Zeit möglichst authentisch aussehen zu lassen. Als weider, wie wir Hessen sagen …. 😊

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Bildquellenangabe: Thomas Kiessling

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