Im Interview – Susanne Gurschler

“Authentizität gehört in gewisser Weise zum Berufsethos.”

Susanne GurschlerSusi ist wie ich Mitglied im Texttreff, des weltbesten Netzwerks der Welt. Die Frauen im Texttreff haben alle einen ähnlichen Beruf: Susi ist Journalistin, ich bin Texterin. Wir begegnen uns auf Facebook sehr oft, da wir uns beide für Politik interessieren. Außerdem ist Susi sehr oft mit ihrem Hund Findus in den Tiroler Bergen unterwegs und bringt wunderschöne Fotos von ihren Wanderungen mit. Und ab und zu chatten wir sprachbegeisterte Frauen darüber, wie sich Deutsch und Österreichisch unterscheiden – in diesem Interview kommt zum Beispiel der Begriff “untergriffig” vor an einer Stelle, an der ich “übergriffig” geschrieben hätte. Übrigens: Bei Wikipedia gibt es eine ziemlich spannende “Liste der Austriazismen” ;-)


CG: Authentizität ist ein Modebegriff – viele Unternehmen und Selbstständige schreiben sich Echt sein auf die Fahnen. Welche Bedeutung hat Authentizität für dich und deine Arbeit?

SG: Für mich als Journalistin und Autorin ist Authentizität enorm wichtig. Sie gehört in gewisser Weise zum Berufsethos. Die LeserInnen und NutzerInnen müssen sich darauf verlassen können, dass ich faktenbasiert, transparent und authentisch arbeite. Check, Re-Check, Double-Check – Grundpfeiler journalistischen Arbeitens – ist die Richtschnur. Das muss einem gewissermaßen in Fleisch und Blut übergegangen sein. Dass klassische Medien, der Journalismus, derzeit heftiger Kritik ausgesetzt sind (Stichwörter: Lügenpresse, Staatsfunk, Mainstreammedien e.a.), stimmt mich nachdenklich und bereitet mir Sorgen. Natürlich: Zuspitzungen, Clickbaiting – die Verführung zur Vereinfachung ist groß. Aber ein Journalismus, der etwas auf sich hält, opfert nicht die fundierte Recherche und zeigt Flanke. Die Presse als vierte Macht im Staat hat eine große Verantwortung. JournalistInnen müssen den Mächtigen auf die Finger schauen, die Menschen informieren und ihnen eine Basis für ihre Entscheidungen liefern. Sie sind der Gesellschaft verpflichtet – insofern bin ich im Herzen Idealistin geblieben.

Cover Buch 111 Orte in Innsbruck die man gesehen haben mussCG: Du bist Journalistin und Autorin, schreibst häufig Artikel und Bücher mit regionalem Bezug. Auch in Sachen Politik hältst du mit deiner Meinung nicht hinterm Berg. Deine Fans und Follower wissen, dass du oft wanderst in Tirol. Und dass du immer einen Hund dabei hast. Bringt dir diese individuelle, gut sichtbare Kombination Vorteile in deiner Selbstvermarktung?

SG: Ganz ehrlich: Das weiß ich nicht. Ich mache einfach und denke selten bis nie darüber nach, ob etwas für mich von Vorteil ist – oder von Nachteil. Das ist vielleicht ein Fehler, in Zeiten der Selbstoptimierung, der Selbstinszenierung und der lückenlosen Lebensläufe. Aber anders als ich bin, kann ich nicht sein. Ich würde mir misstrauen – und tue es bei anderen, wenn etwas zu glatt daherkommt. Eine Meinung zu haben, das bringt der Beruf mit sich. Eine Meinung haben zu müssen, empfinde ich allerdings als belastend. Ich lasse Dinge gern sacken, brauche die Zusammenschau, möchte die Dinge und mich sortieren können.

CG: Warum ist es so schwer für uns alle, individuelle Wege zu beschreiten und das zu tun, was uns wirklich ausfüllt?

SG: Hm. Ich stehe an dem Punkt, wo ich sagen kann: Ich weiß, was ich machen will. Ich will Bücher schreiben, Reportagen, Essays, Magazingeschichten. Dafür braucht es aber auch Nachfrage. Die Angebote liegen in diesem Bereich nicht auf der Straße, schon gar nicht in einem so überschaubaren Umfeld wie Tirol. Also: Ich tue eigentlich, was mich ausfüllt, das müsste sich nur noch auf dem Konto niederschlagen. Denn vom Bücherschreiben leben kann ich nicht. Aber vielleicht wird’s noch. (lacht)

CG: Welche Plattformen benutzt du für deinen unternehmerischen Außenauftritt? Verwendest du dort spezielle Stilmittel?

Cover Buch 111 Orte in Tirol die man gesehen haben mussSG: Ich habe eine Homepage, die ich aktuell halte, und einen Blog, den ich nach Lust und Laune befülle. Auf LinkedIn und einigen anderen Plattformen bin ich zwar, aber ich nutze sie nicht. Auf Facebook bin ich recht aktiv, wobei ich in letzter Zeit Ermüdungserscheinungen feststelle: Diskussionen rauben Zeit, fruchten aber selten, der Ton wird rasch untergriffig – manche Leute kotzen sich regelrecht aus –, das kann ich nicht ausstehen. Und es geht immer wieder um die gleichen Dinge. Aber ich erreiche über FB viele Leute, das ist für mich als EPU wichtig. Twitter ist irgendwie nicht so meins. Instagram mag ich: Schnappschuss, kurzer Text – zack, fertig! Hier ließe sich vielleicht beruflich mehr herausholen, aber auch hier habe ich keine Strategie, mache einfach. Das passt besser zu mir.

CG: Nach gängiger Definition resultiert Authentizität aus einem Sieg des Seins über den Schein. Doch für mich als Unternehmerin ist es nicht immer einfach zu entscheiden, wie weit meine Echtheit auf professioneller Ebene gehen darf. Wie erlebst du diese Auseinandersetzung? Hat Authentizität Grenzen?

SG: Als Journalistin muss ich mich in Beiträgen klarerweise zurücknehmen, es geht nicht um mich, sondern um die Sache, die Person, den Gegenstand. Aber natürlich schimmert immer etwas von einem selber durch, allein durch die Art der Fragestellung in Interviews zum Beispiel, den Blickwinkel, den ich auf eine Geschichte wähle, welchen Inhalten ich Gewicht gebe. Dessen muss ich mir als Journalistin und Autorin immer bewusst sein, damit muss ich verantwortungsvoll umgehen. Was ich gar nicht ausstehen kann, sind verdeckte PR-Geschichten: Wenn PR, dann PR, wenn Journalismus, dann Journalismus.

CG: Mit Authentizität gehen Begriffe einher wie ….

Cover_Buch Zeitblende kleinSG: a. glaubwürdig/b. korrekt/c. überzeugend
Wieder aus Journalistinnensicht: Ich muss in meinem Tun glaubwürdig sein, korrekt und nachvollziehbar agieren, dadurch bin ich überzeugend.

CG: Was glaubst du: Warum wird Authentizität heute besonders geschätzt?

SG: Wird sie das denn? – Wenn ich mich so umschaue, ist der Schein häufig erfolgreicher als das Sein.

CG: Zum Schluss ein Blick in die Kristallkugel: Welche unternehmerischen Strategien werden in den nächsten Jahren Interesse wecken – und zum Beispiel aus Interessierten Käuferinnen und Käufer machen?

SG: Von mir ausgehend: Ich hasse Etikettenschwindel. Mir sind Ecken und Kanten lieber als eine selbstoptimierte Weichgespültheit. Ich finde das spannender und kann damit besser umgehen. Menschen mit Ecken und Kanten sind nicht immer angenehm, aber greifbar. Und eigentlich wollen wir doch alle wahrgenommen werden als die, die wir sind, vielleicht auch als die, die wir sein möchten. Und nicht als die, die uns jemand sagt, dass wir sein sollten, damit wir „gut rüberkommen“ und das und das kriegen. Als Kundin will ich einfach ernst genommen werden. Punkt.

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Bildquellenangabe: Buchcover Verlage, Porträtfotos © Fotowerk Aichner

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